Reformbemühungen in der Katholischen Kirche
Professor Dr. Dr. Thomas Sternberg zu Gast in Epe
Mit großer Freude begrüßte Wilhelm Kemper, der Vorsitzende des Heimatvereins Epe, den Gast des Abends Dr. Thomas Sternberg im Pfarrhof St. Agatha. Er freue sich vor allem darüber, dass der ehemalige Vorsitzende sofort zugesagt hatte, nach Epe zu kommen, um einen Vortrag zu halten. Das sah wohl auch die große Anzahl der Zuhörer, die in den Pfarrhof St. Agatha gekommen waren. „Das Thema des Abends beschäftige viele Mitglieder des Heimatvereins. Sie alle seien an einer Kirche interessiert, die auch Antworten auf Fragen der Zeit geben könne. Er sei gespannt, ob es nach den vielen schlechten Botschaften auch Hoffnung auf Erneuerung gebe“, so Kemper in seiner kurzen Begrüßung.
Der ehemalige Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken begann seinen Vortrag mit einer erdrückenden Analyse: Obwohl das Angebot der Kirche mit den Gottesdiensten und den Seelsorgeteams , den Kindergärten und Krankenhäusern, mit Behinderteneinrichtungen, dem Religionsunterricht in den Schulen organisatorisch reibungslos verläuft, müssen wir feststellen: „Es gab noch nie so viele Kirchenaustritte, die Zahl der katholischen Beerdigungen und der Taufen nahm rapide ab. Gehörten beispielsweise in Münster 1980 noch 2/3 der Bevölkerung der Katholischen Kirche an sind es jetzt 38%. In Rundfunk und Fernsehen und auch in der Presse spielen die Kirchen kaum noch eine Rolle – es sei denn, es geht um den Missbrauchsskandal. Nach den frohmachenden Botschaften der Kirche fragt keiner mehr; das war auch während der Pandemie nicht anders; zu Talks oder Fernsehdiskussionen werden keine Kirchenvertreter eingeladen. Sie haben offensichtlich nichts zum Gelingen menschlichen Lebens mehr beizutragen. Ein Auslöser alle dieser Symptome war offensichtlich der Missbrauchsskandal. Von diesem Zeitpunkt an nehme auch die Zahl der Austritte aus der Kirche rapide zu. Und so sei es dann auch zur Reformbewegung des Synodalen Wegs mit den Bischöfen und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken gekommen. Dabei hätten vier Themenbereiche im Mittelpunkt gestanden:
- Macht und Gewaltenteilung in der Kirche
- Priesterliche Existenz heute
- Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche
- Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft
Das ganze gläubige Volk Gottes sei aufgerufen, an den Diskussionen und Entscheidungen teilzunehmen. Es habe fünf Vollversammlungen des „synodalen Weges“ gegeben. Dabei habe es den „guten Geist von Frankfurt“ gegeben, der es möglich machte, Kompromisspapieren zuzustimmen. Immerhin hätten 80% der Laien und 70% der Bischöfe letztlich zugestimmt. Es gebe ein „Aggiornamento“, eine Hinwendung zu Welt; es habe keinen Widerspruch zur Weltkirche gegeben. Allmählich setze sich mehr und mehr durch, dass sich die Struktur der Kirche von der feudalen Welt der Vergangenheit hin zu demokratischeren Formen entwickeln müsse. „Noch vor zehn Jahren habe man nicht über den Zölibat oder das Frauenpriestertum in der Kirche reden könne. Das habe sich grundlegend geändert, wenngleich immer auch wieder Störfeuer aus Rom gezündet worden sei. Es sei auch immer wieder an die sog. hierarchische Struktur der Wahrheiten in der Kirche erinnert. „Nicht jeder Satz der Kirche ist gleich wichtig! Dass der Priester zölibatär leben müsse und Frauen keine Priester werden könnten, sei keine Wahrheit, die ganz oben auf der Wahrheitsleiter anzusiedeln sei.
Intensiv habe sich die Diskussion um das Priestertum gedreht. Da die Eucharistie als ein äußerst wichtiges Merkmal der katholischen Gemeinde gelten müsse, bedürfe es des Priesters. Zum ersten Mal nun ist am Weißen Sonntag im Paulusdom in Münster seit Kriegsende kein Priester geweiht worden. Auch in den nächsten Jahren seien mit dem Ausscheiden von vielen älteren Priestern zu rechnen. Auch wenn die Zahl der Seelsorgerinnen und Seelsorger (incl.. Diakone, Pastoralreferenten) insgesamt eher zugenommen habe, werde die Zahl der Priester massiv abnehmen. Wenn die verbleibenden Pfarrer größere Gemeinden versorgen müssten, bliebe für viele Aufgaben z.B. persönliche Gespräche noch weniger Zeit. Eine Überforderung der Priester sei groß. Dabei komme es in der Seelsorge gerade auch auf den Austausch mit den Gemeindemitgliedern an. In der Gemeinde komme es schon jetzt auf das Engagement eines jeden Einzelnen an. „Was ich tue – passiert; was ich nicht tue – passiert nicht!“ so der Leitsatz von Dr. Sternberg. Es gelte, den Priester zu unterstützen und jede/r Gläubige solle teilnehmen am priesterlichen Dienst. Es komme immer mehr darauf an, in der Einheit Kirche mitzugestalten. Das werde jedoch auch dadurch schwerer, weil mehr und mehr Menschen den Glauben nicht „verinnerlicht“ hätten. Es würden zwar immer und immer wieder „Senfkörner“ der Hoffnung verstreut und man wisse gar nicht, ob welche aufgehen; ob sie allerdings ausreichten, bleibe abzuwarten. Auch in den Familien komme es oft nicht mehr zum Einüben in den Glauben. Eine „Evangelisierung“ wie es Papst Franziskus fordert, sei dringend geboten.
Die Reformbemühungen der Kirche sind da; die deutschen Katholiken wollen sich einbringen in die Synode der Weltkirche zum Wohl der Gläubigen in der ganzen Welt. Dr. Sternberg sieht, dass die verstreuten Senfkörner aufgehen können und auch in einer „Gottvergessenen Welt“ durchaus Hoffnung auf eine erneuerte Kirche bestehen. „Es geht um sehr viel“, resümiert Dr. Sternberg am Schluss seines 1 ½ stündigen Vortrages. Wenn für den Menschen jede Orientierung wegbreche, kein Glauben an den immer liebenden Gott mehr bleibe, müsse man fragen, ob der Mensch damit fertig werde. Nach einer Fragerunde durch die Zuhörer bedankte sich Wilhelm Kemper unter dem kräftigen Beifall der Zuhörer bei Dr. Sternberg für den informativen und anregenden Vortrag. Er übereichte ihm ein persönliches Geschenk und wünschte ihm einen guten Nachhauseweg. Kemper bedankte sich auch im Namen des KKV bei der Pfarrgemeinde St. Agatha, die den Raum zur Verfügung gestellt hatte.
„Volles Haus“