Bürgermeister Jörg von Borczyskowski zum ersten Mal im Heimatverein Epe

„Wir müssen uns ehrlich machen“ 

Der neue Bürgermeister Jörg von Borczyskowski hatte einen Tag nach seiner Vereidigung im Rat der Stadt seinen ersten offiziellen Auftritt im Heimatverein Epe souverän gemeistert. Der Übergang im Rathaus sei reibungslos verlaufen, die Verwaltung habe professionell zugearbeitet, und auch der Stabwechsel sei dank des bisherigen Bürgermeisters Rainer Doetkotte kollegial verlaufen. Mit der Besetzung von Ausschüssen und Aufsichtsräten sei – wegen guter Vorbereitung durch die Fraktionen im Rat der Stadt Gronau sowie die Mitarbeitenden des Fachdienstes Rat und Wahlen – das Rathaus nach der Kommunalwahl damit wieder handlungsfähig.

Mit dem Wechsel vom Fraktionsvorsitzenden zum Bürgermeister habe sich für ihn persönlich der Blickwinkel deutlich verändert. Er befinde sich jetzt in einem Transformationsprozess, der sicher noch ein wenig Zeit in Anspruch nehmen werde. Politischen Debatten werde er sich nicht entziehen, betonte er, doch derzeit stehe für ihn die finanzielle Stabilität im Vordergrund: „Wir müssen die Situation mit den verfügbaren Mitteln meistern, die uns zur Verfügung stehen“, sagte er mit Blick auf die angespannte Haushaltslage. Die Lage sei ernst, und es gelte zu vermeiden, dass die Kommune bei der Verwendung von Haushaltsmitteln eingeschränkt werde. Ziel ist – mit Blick auf die Haushaltssatzung – die finanzielle Lage zu stabilisieren. Die Einbringung des neuen Haushalts umfasst daher nicht nur das nächste Jahr, sondern auch die Folgejahre. Welche finanzpolitischen „Stellschrauben“ und welche Einschnitte es geben werde, davon sagte von Borczyskowski zunächst nichts.

Ein Projekt, das aus seiner Sicht nicht optimal gelaufen sei, betreffe die Gronauer Straße. Hier musste der Landesbetrieb Straßenbau überzeugt werden, den Schwerlastverkehr aus dem Ortskern zu verlagern. Er sehe auch, dass noch an vielen Stellen im Stadtverkehr zu schnell gefahren werde. Er rege an, darüber nachzudenken, ob nicht eine stadteigene Möglichkeit zur Geschwindigkeitskontrolle geschaffen werden sollte. „Natürlich sei das alles nicht ganz billig und auch personalintensiv, könne aber mithelfen, die Sicherheit in der Stadt zu verbessern“, so der Bürgermeister.

Bei allen Kürzungen, die es wahrscheinlich geben werde, stehe die bereits vertraglich geregelte Fördervereinbarung für das neue Sportgelände mit den beiden größten Vereinen in Epe nicht zur Disposition. Hier werde substanziell zwei Vereinen – FC Epe und Westfalia Epe – geholfen, eine wichtige Aufgabe für die Bürger zu vollbringen. Beim Thema Bahnhof sei die Stadt auf die Bahn angewiesen: „Die Bahn ist nicht weisungsgebunden“, erklärte der Bürgermeister. Er verstehe die Bürger, die diesen Schandfleck Epe immer und immer wieder anmahnten. „Ohne die Bahn läuft hier nichts! Wenn die Stadt hier eigenmächtig tätig werde, könne das sogar strafbar sein“, so der BM.

Im lockeren Gespräch ging der BM auf viele weitere Fragen der interessierten Zuhörerschaft ein. Bei der Germania habe sicher der Hochwasserschutz Vorrang; das Gradierwerk halte er nach wie vor für ein richtiges Projekt – „weil es einen echten Mehrwert bringt“. Wichtig sei ihm auch die Möglichkeit, hier Wohnraum zu schaffen. Er könne es nur begrüßen, wenn es zu Investitionen komme, die die angespannte Wohnraumsituation verbesserten und bezahlbarer Wohnraum entstehe.

Die Radwegeförderung wolle der Bürgermeister fortsetzen; jedoch zweifelte er an, dass das Radwegeprojekt im Stadtpark in Gronau eine gute Idee gewesen sei. Es habe jedoch Fördermittel in Millionenhöhe gegeben, und deswegen habe der Rat diesen Beschluss gefasst. Die Meinung eines Zuhörers, es gebe eine „katastrophale Radwegesituation“, teile er nicht; es sei aber auch „keine optimale Radwegesituation“, und deswegen müsse in das Netz der Radwege investiert werden.

Der Bürgermeister weiter: Alle weiteren Projekte der Stadt werden viel Geld kosten; wir werden sehen, was wir uns noch leisten können. Da kommt es sicher darauf an, offen über das Problem – vor allem über Finanzprobleme – zu sprechen. „Wir müssen uns ehrlich machen.“

Für den Zuhörer heißt das wohl: Wir können uns nichts Zusätzliches leisten. Der Bürger darf gespannt sein, wie in Zukunft die Probleme der Stadt gelöst werden: durch Projektstreichungen, durch Steuererhöhungen, durch Reduzierung von Hilfen für Empfänger städtischer Zuwendungen?

Nach gut zwei Stunden intensiven Gedankenaustauschs bedankte sich der Vorsitzende Josef Brefeld beim Bürgermeister. Mit Bodenhaftung, Ehrlichkeit und klaren Worten setze der neue Bürgermeister erste Akzente – er mache deutlich, dass er die Herausforderungen anpacken wolle, ohne sie schönzureden. Der Bürgermeister ließ es sich am Ende der gut besuchten Veranstaltung nicht nehmen, zu helfen, überzählige Stühle und Tische aus dem Saal zu tragen.